Am 1. Mai 2004
wurden zehn neue Mitgliedstaaten* aus Mittel-, Süd- und Osteuropa in die Europäische Union aufgenommen. Mit dem
Beitritt der osteuropäischen Länder wurde die
durch den Zweiten Weltkrieg und den Kalten Krieg verursachte politische
Spaltung Europas endgültig überwunden. Zur EU
gehören jetzt 25 Länder mit ca. 450 Millionen Einwohnern.
Die neue Europäische Union liegt
also hinsichtlich der Bevölkerungszahl noch vor den USA und Japan. Somit ist es nicht nur die
politisch bedeutendste Erweiterungsrunde in der Geschichte der EU, sondern auch
die größte.
Es ist bereits die
fünfte
EU-Erweiterung. Von einigen Politikern und Wirtschaftsexperten wird sie als
sehr schwierig bezeichnet. Denn bisherige Erweiterungen betrafen Länder, in denen westliche
Lebensstandards und westliche Wertesysteme herrschten. Jetzt sind acht osteuropäische Staaten Mitglieder der EU, in
denen noch vor anderthalb Jahrzehnten politisch und wirtschaftlich das
sozialistische System regierte. In den letzten Jahren gab es jedoch neben den
politischen Veränderungen einen
großen Wandel in der
Wirtschaft der osteuropäischen Beitrittsländer. Sie haben ihre Industrie fast vollständig privatisiert und den Handel
liberalisiert.
Die europäische Teilung gehört zwar der Vergangenheit an, aber das
Gefälle zwischen West
und Ost ist innerhalb der EU sehr groß: ob Wirtschaftskraft, soziale und ökologische Standards oder Infrastruktur – zur Europäischen Union gehören nun Staaten, die sich gravierend
von den bisherigen Mitgliedern unterscheiden.
In Zukunft soll
jedoch ein gemeinsamer europäischer Wirtschaftsraum entstehen. Auf wirtschaftlichem Gebiet hat die
Zusammenarbeit zwischen Ost- und Westeuropa schon lange vor der offiziellen
EU-Erweiterung begonnen. Seit Mitte der neunziger Jahre, als die Zollgrenzen zu
den damaligen Beitrittskandidaten weitgehend gefallen waren, begann die
Zusammenarbeit zwischen Ost und West. Vor allem Holzprodukte, Textilien, aber
auch Autos, Nahrungsmittel und Chemie–Rohstoffe aus dem Osten haben die West-Märkte längst erobert. Die Vorteile der Waren
aus dem Osten sind günstige Preise durch niedriges Lohnniveau, hohe Liefersicherheit, überzeugende Qualität und geringe Entfernungen, z. B. nach
Deutschland, Frankreich oder Schweden. Der schwedische Möbelhersteller Ikea hat
beispielsweise in Polen Produktionsstandorte, in denen ein Großteil seiner Produktion gefertigt wird.
Aber nicht nur Ikea,
sondern auch die deutsche Möbelindustrie hat viele Produktionsstätten ausgelagert. Wenn Unternehmen nach Osteuropa abwandern oder
Betriebsteile auslagern, dann gehen Industriestandorte in Deutschland verloren.
Damit verbunden ist häufig auch der Verlust von Arbeitsplätzen. Auswirkungen hat diese Entwicklung besonders auf Ostdeutschland. Dort
entstanden nach der politischen Wende in Deutschland kaum neue Fabriken, die
wurden weiter östlich errichtet.
Die jetzigen Beitrittsländer waren und sind für Investoren wesentlich attraktiver. Billiglöhne, niedrige Unternehmensteuer und
sehr flexible Arbeitszeiten bieten Standortvorteile für große Konzerne wie z. B. Siemens und
VW, aber auch für viele kleinere Unternehmen.
Die EU-Osterweiterung hat also auch zur
Folge, dass die Arbeit in bisher unbekanntem Ausmaß ins Ausland verlagert wird. ...
Angesichts dieser
Tendenz innerhalb der Europäischen Union prophezeit der Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung in München (Ifo) eine Niedriglohnkonkurrenz für Deutschland, die lange anhalten wird.
Das bedeutet aber auch niedrigere Einkommen, weniger Wachstum und weniger
Wohlstand.
Andere Fachleute
sehen dagegen für die Wirtschaft
in Deutschland durch die EU-Osterweiterung viele Vorteile. Sie gehen von einer
Entwicklung aus, die für die Beitrittsländer und auch für Deutschland große Chancen bietet. Ihrer Meinung nach treibt das Wachstum in Osteuropa die
gesamte Wirtschaft an: durch vermehrte Exporte in die aufstrebenden Länder und auch durch die Verlagerung von
Jobs. Nach dieser Theorie sind die deutschen Produkte nur wettbewerbsfähig, weil Zulieferungen für die Konzerne im Ausland produziert
werden. Die bisherige Entwicklung stützt die These dieser Wirtschaftsexperten. Die Öffnung Osteuropas erwies sich für die deutsche Wirtschaft als Glücksfall, sie eroberte neue Märkte und erschloss sich kostengünstige Zulieferungen. Schon heute
sichert der Handel mit den Beitrittsländern jeden zehnten Arbeitsplatz in Deutschland, der vom Export abhängig ist. Und die wachsenden Märkte der neuen EU-Länder werden sich positiv auf
Deutschlands Wirtschaft auswirken und zur Sicherung der Arbeitsplätze beitragen.
Deutsche
Unternehmen arbeiten z. B. mit den in die USA abgewanderten Wissenschaftlern
zusammen, um sie für den heimischen Arbeitsmarkt zurückzugewinnen. Es gibt Treffen zwischen
Wissenschaftlern und deutschen Arbeitgebern und eine Jobbörse im Internet. (890 Wörter)
Erklärung:
* die zehn neuen
EU-Staaten: Estland, Lettland, Litauen,
Polen, Tschechien, die Slowakei, Slowenien, Ungarn, Malta, Zypern
Bitte
beantworten Sie die folgenden Fragen so kurz und so genau wie möglich! Alle
Antworten müssen sich auf den Text beziehen!
1. Warum ist diese EU-Erweiterung
von besonderer Bedeutung? Nennen Sie zwei wichtige Gründe! 2. Welchen wirtschaftlichen Wandel
haben die osteuropäischen Länder bereits vollzogen? 3. Auf welchen Gebieten gibt es
große Unterschiede zwischen West- und Osteuropa?Nennen Sie drei Beispiele! 4. Im Text werden die Vorteile der
Waren aus Osteuropa genannt! Formulieren Sie drei dieser Vorteile! 5. Welche Chancen bietet die EU-Osterweiterung für die
wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland? Fassen Sie kurz die wesentlichen
Informationen zusammen! (3-5 Sätze) 6. Definieren Sie den Begriff „Brain drain" aus dem
Kontext! 7. Formulieren Sie einen treffenden Titel für den gesamten Text! Den ganzen Text mit den Aufgaben kann man vom Server herunterladen >>
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