Geschwister
beeinflussen unseren Charakter
Laut einer Erhebung des statistischen Bundesamtes im Jahr
2008 wachsen zwei von drei Kindern in Deutschland mit Geschwistern auf. Jedes fünfte
Kind hat in Deutschland zwei Geschwister, jedes zehnte mindestens drei.
I
In der Kindheit verbringt
man viel Zeit mit seinem Bruder oder seiner Schwester.
Unsere Position in der
Geschwisterreihe beeinflusst dabei unseren Charakter. Es ist also wichtig, ob
wir als Erstgeborene, als Zweitgeborene oder als Letztgeborene auf die Welt
kommen. Die Erstgeborenen müssen mit der Geburt eines Geschwisterkindes
ihre Vorteile, die sie bisher als Einzelkind hatten, aufgeben. Dafür erhalten
sie aber auch Unterstützung gegenüber der Welt der Erwachsenen. Als
Erstgeborene werden sie zum Vorbild fьr die jüngeren Geschwister, die sich an ihnen
orientieren.
„Wenn ein Geschwisterchen erwartet wird, überwiegt bei
den älteren Kindern erst mal die Vorfreude", sagt Dr. Josef L., Leiter einer
Familienberatung. „Diese Zeit ist spannend und aufregend, Fragen nach der
Entstehung von Leben, Schwangerschaft und Geburt werden innerhalb der Familie
besprochen. Eltern gehen heute sehr entspannt damit um und erklären den Kindern
ihre neue Situation mit Büchern oder den Ultraschallbildern des ungeborenen
Kindes. Ist es dann geboren, kommen schon mal Zweifel auf. Jetzt sieht die
Sache anders aus."
II
Entscheidend für die
Streiterei zwischen Geschwistern ist oft der Altersunterschied. Ist er besonders
groß, haben die Geschwister oft wenig gemeinsame Interessen. Ist er sehr
gering, ist die Konkurrenz um die Liebe und die Aufmerksamkeit der Eltern
meistens groß. So oder so: Geschwister finden immer genug Gründe, um sich zu
streiten. Zwar nerven die Streitereien zwischen Geschwistern oft die Eltern,
aber sie sind ein wichtiges Training. Kinder lernen dadurch eigene Interessen
zu vertreten und Interessen anderer zu respektieren. Mit ihren Geschwistern
lernen sie das Teilen, Abstimmen und die Auseinandersetzung. Durch die gemeinsam
verbrachte Zeit bilden sich Gruppen, Machtverhältnisse entwickeln sich,
Konflikte werden gefördert oder abgeschwächt. Das Leben unter Geschwistern
erlaubt jedem Einzelnen sich zu sozialisieren, bevor er außerhalb der Familie soziale Erfahrungen
macht. Im Kindergarten, in der Schule oder im Verein kann er dann diese
Erfahrungen, die er innerhalb der Familie mit seinen Geschwistern schon
gesammelt hat, im Umgang mit anderen Kindern nutzen.
III
In der Pubertät,
also auf dem Weg zum jungen Erwachsenen, schaffen Geschwister oft zwischen sich
Distanz. Die Pubertierenden versuchen sich von der Familie zu lösen, auch von
den Geschwistern. Das eigene Ich wird neu definiert, die Partnersuche und der
eigene Lebensentwurf bestimmen das Handeln.
IV
Wenn Geschwister erst mal
erwachsen sind, verschwindet meistens die Konkurrenz zwischen ihnen.
Verbindende Gemeinsamkeiten stehen jetzt im Vordergrund. Geschwister verbindet
in dieser Zeit zum Beispiel gemeinsame Erinnerungen, der Rückblick auf die
gemeinsamen Erlebnisse und das Wissen über das gleiche soziale Umfeld, aus dem
sie stammen. Gerade in schwierigen Situationen finden die erwachsenen
Geschwister Halt und Trost bei einander. Wie eng die Beziehung der erwachsenen
Geschwister ist, hängt von ihrer gemeinsam verbrachten Kindheit ab. Sind die Kämpfe
um die Zuneigung der Eltern sehr heftig gewesen, können sich Rivalitäten natürlich
auch noch im Erwachsenenalter zeigen.
Textquelle: Libelle, Dez.2008, S.25-28, stark
gekürzt und verändert von J.Buyken
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