Nirgendwo auf der Welt ist die Brauereidichte so hoch wie in
Oberfranken. In fast jedem Ort gibt es eine Brauerei, in manchen sogar
mehrere. Wer zuviel Gerstensaft getankt hat, kann anschließend vor Ort
übernachten.
Warum es in der Fränkischen Schweiz so viele
Brauereien gibt, kann keiner so recht beantworten. Aber über sein
persönliches Verhältnis zum Bier kann jeder Oberfranke Bände erzählen.
Am liebsten bei dem erfrischenden Kaltgetränk im Wirtshaus. Die
Bamberger rühmen sich sogar mit ihrem Pro-Kopf-Verbrauch: 280 Liter Bier
konsumiert - rein statistisch - jeder Bürger der Weltkulturerbe-Stadt!
Das sei kein Grund zur Sorge, sondern Zeichen für das besondere
Verhältnis zu dem Kulturgetränk. Und zu den Rohstoffen, heißt es. "Der Hopfen will seinen Herrn jeden Tag sehen."
Deshalb macht Norbert Kramer täglich auf dem Weg zwischen Büro,
Brauerei und Lagerkeller beim Hopfengarten Halt, um sich vom Gedeihen
der Rankgewächse zu überzeugen. Ganz biologisch, ohne Schädlingsmittel,
will der Chef der St. GeorgenBräu die Pflanzen kultivieren, die dem Bier
die eigene Würze verleihen. Auch die Braugerste, aus der das Malz
gewonnen wird, stammt aus regionalem Anbau. Seit 1624 wird die Brauerei
in Buttenheim familiengeführt. Kein Auskommen in dem Ort hatte Löb Strauss, der gut
200 Jahre später geboren wurde. Der Sohn jüdischer Eltern musste wegen
der wirtschaftlichen Not und der judenfeindlichen Gesetze im damaligen
Bayern fliehen und wanderte mit seiner Familie nach Amerika aus. Fortan
nannte er sich Levi, gründete einen Textilhandel und produzierte
strapazierfähige Kleidung für die nach Gold und Glück suchenden Pioniere
im Wilden Westen. Heute erinnern ein Levi-Strauss-Museum und ein
eigenes Bier an den berühmten Sohn Buttenheims, der die Blue Jeans
erfand. Bodenständige Menschen und gehaltvolle Böden Fest verwurzelt in der Fränkischen Schweiz hingegen
ist Ernst Rothenbach. "Als Kind habe ich mich geärgert, wenn man jeden
grüßen musste", bekennt der Geschäftsführer der Brauerei Rothenbach.
Heute sei er froh, hier alle zu kennen. Man kümmere sich untereinander,
der Zusammenhalt sei besser als in der Stadt. Seine Familie hat das Haus
in Aufseß, in dem heute Bier ausgeschenkt wird, 1723 von einem
Amerikaauswanderer erworben. Seit 1886 brauen die Rothenbachs Bier. Die
Utensilien übernahmen sie von Franziskanermönchen. Keine Experimente wagen die Rothenbachs, wenn es um
die Qualität der Zutaten für ihre Biere geht. Das Wasser beziehen sie
aus der eigenen Quelle. Die Braugerste wächst ums Dorf herum. "Diese
Hochfläche, das Jura, ist sehr gut geeignet, und vielleicht ist das auch
ein Grund dafür, warum es so viele Brauereien gibt", vermutet Ernst
Rothenbach. Unverwechselbar im Inhalt und in der äußeren Form Hier in den kleinen Brauereien könne der Braumeister
noch ein Bier mit Ecken und Kanten, also mit persönlicher Note brauen,
hebt Ernst Rothenbach den Vorteil der kleinen Dorfbrauerei hervor. "Kein
Marketingchef, kein Vorstand macht seinen Einfluss geltend, um ein
Mainstream-Produkt zu bekommen." Diese Unverwechselbarkeit im Wettbewerb
unter den kleinen Anbietern mache den Erfolg aus und sichere das
Überleben in der Branche. Absolut genial findet der Mitinhaber der
Rothenbach-Brauerei den Bügelverschluss. Egal ob der Bauer auf dem Feld
oder der Bauarbeiter, alle können die Flasche antrinken und wieder
verschließen. Und einen Falschenöffner brauche man auch nicht. Sein Vater habe sich damals gewehrt, die Kronkorken
einzuführen, erzählt Ernst Rothenbach stolz. Heute erlebe der praktische
Verschluss eine Renaissance. Stur, konservativ sein, am Altbewährten
festhalten, diese Eigenschaften kennzeichnen die Menschen am
nordöstlichen Rand Bayerns. Einheimische sieht man beim Plausch am
Gartenzaun oder beim Bierchen in der Wirtschaft. Rasche Aufnahme in die Dorfgemeinschaft Diese Mentalität gefiel der Rheinländerin Bianca
Roth-Helmenstein so sehr, dass sie sich mit ihrem Mann in Aufseß
niedergelassen hat. Heute lacht sie über den Kraftakt, die alte
Posthalterei unter dem Schloss umgebaut zu haben. "Die Einheimischen
akzeptieren und unterstützen uns", erzählt die gelernte Buchbinderin und
Erzieherin, während der Duft von Geräuchertem sich ausbreitet. In
dem Anwesen, das aus dem 13. Jahrhundert stammt, können Gäste frisch
geräucherten Fisch, selbstgebackene Brote und Kuchen und frische
Obstsäfte genießen oder im Laden nach Mitbringseln stöbern. Schmuck und
Keramikwaren stellt Bianca Roth-Helmenstein selbst her und sie bringt
Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen alte Handwerkstechniken bei wie
Buchbinden, Papierschöpfen, Färben, Filzen, Töpfern. Mehr als nur Bier und Schweinebraten Viel Kleinod wartet am Wegesrand, beachtet zu
werden. Verborgene Keltenstätten im Wald, romantische Burgen und
Schlösser erzählen von historischer Besiedlung. Meterhohe einzelne
Felsen, grüne Wiesen, die von sanften Hügeln durchzogen
werden, rauschende Bäche, herrlich frische Luft zeigen die Vielfalt der
Natur. Und jede Menge Gaststätten laden zum Verweilen ein. Urlaub am Zapfhahn Auf dem 14 Kilometer langen Brauereienrundweg um Aufseß trifft man
auffallend gut gelaunte Menschen, denn der Kurs führt von einer zur
nächsten Brauerei. Die 1500-Seelen-Gemeinde hat vier Brauereien und
steht für ihre Brauereidichte im Guiness-Buch der Rekorde. Auf 375
Einwohner kommt eine Braustätte. Gäste können sich die Einkehr durch
einen Stempel dokumentieren lassen und erhalten auf Wunsch am Ende der
Runde eine Urkunde der Gemeinde. Hilmar Reichold, gehört zum Verbund dazu. Der Chef der gleichnamigen
Brauerei kann aber auch von Negativbeispielen berichten: "Die Gäste, die
im Bus kommen und schon während der Fahrt Alkohol konsumieren. Wenn die
dann noch den Brauereienweg gehen, ist es abends schon manchmal ganz
schön krass." Hilmar Reichold braut in der vierten Generation seiner Familie Bier.
Sein Sohn arbeitet auch im Betrieb, und der wiederum hat auch schon drei
Kinder. Irgendwie wird die Tradition schon fortgesetzt. Davon ist Hilmar Reichold überzeugt. Hinter den Braustätten können
Urlauber ihre Wohnmobile abstellen, und im Winter, wenn weniger Leute
hierher kommen, bietet Reichold "all-inclusive-Wochenenden" an. Da kann
jeder Gast soviel essen und trinken wie er mag. Keine Konkurrenten, sondern Kollegen Jeder Wirt habe seine Stammkundschaft, jeder braue ein eigenes Bier.
Und am Ende passierten alle Auswärtigen den Brauereienweg, nicht ohne
etwas Deftiges zu essen. In der Umgebung wimmelt es nur so von
Dorfmetzgereien und Fischräuchereien. Dagegen mangele es an
Polizeikontrollen, erzählt ein Ortskundiger. Die nächste
Polizeidienststelle ist zwar 17 Kilometer entfernt, aber in einem
anderen Landkreis ansässig und daher nicht zuständig. Einerseits.
Andererseits bieten viele Brauereien Gästezimmer an und organisieren bei
Bedarf einen Fahrdienst. Autorin: Karin Jäger Redaktion: Arne Lichtenberg Das Material ist vom Standort "Deutsche Welle"
|