So kommuniziert die Jugend! 
An die Zeiten, als man mit einem Kuli oder Füllfederhalter noch kunstvoll Briefe schrieb, können sich heute viele nicht mehr so recht erinnern. Droht dieses Schicksaal bald auch der nun schon in die Jahre gekommenen Email? Wenn man sieht, wie die Generation Jugend heute so kommuniziert, könnte man das fast meinen. Denn diese verlässt sich bei ihrer Beziehungspflege immer mehr auf Instant Messenger oder Chat-Programme wie MSN oder ICQ.War Email Gestern? Und werden wir auch bald wie im Chat reden und schreiben?
Einer Untersuchung der Bitkom zufolge, sind 85 Prozent der Jungen und 80 Prozent der Mädchen von 12 bis 19 Jahren regelmäßig online. Für 72 Prozent sind dabei Instant Messenger-Programme die wichtigste Anwendung, noch vor Email. Viele Jugendliche verbringen jeden Tag mehrere Stunden im Chat. Das hat auch Auswirkungen auf die Allgemeinsprache, denn Chat Sprache ist anders. Der Chat erfordert ein schnelles Reagieren, mit viel Abkürzungen und auch emotionaleren, spontaneren Äußerungen. Sprachwissenschaftler sehen das gelassen. Denn Jugendliche können ganz gut differenzieren zwischen Chat-Sprache und realem Leben.
Lilian Büchner, 16 Jahre, Schülerin: "Wenn ich nach Hause komme, mache ich nach dem Essen den Computer an und geh halt zu MSN. Und dann chatte ich mit meinen Freunden. Ich telefonier manchmal nebenbei, gucke Fernsehen, mach das meist nebenbei, oder ich bin auch einfach im Internet während ich chatte. Eine Zeit lang war ich rund um die Uhr nur bei MSN. Ich mach es halt mit ganz vielen gleichzeitig. Weil telefonieren kann man nur mit einer Person und nicht mit mehreren. Eigentlich sind alle meine Freunde bei MSN. Beim chatten muss man halt nicht immer reden, man kann auch mal kurz stopp machen und nebenbei was anderes machen." 
"Ich schreib Emails, wenn es um irgendeine Bewerbung geht, oder wenn ich meiner Freundin schreibe, die grad im Ausland lebt und kein MSN hat. Aber mit meinen Freunden hier chatte ich nur. Man schreibt halt heutzutage keine Emails mehr."
Sven Buley, 18 Jahre, Schüler:
"Emails schreibe ich gar nicht mehr privat, sondern bloß wenn für die Schule oder Projekte oder zu Bewerbungszwecken. Dann muss man ja welche schreiben.Sonst chatte ich eigentlich nur...ICQ, MSN...Wenn man was schreibt, kriegt man gleich eine Antwort. Nicht so wie bei Emails, da muss man warten, bis jemand nachguckt oder bis sie überhaupt ankommen...Man kommuniziert schon immer über dieselben Sachen: Neue Spiele, Kumpels, Partys, Erlebnisse... 
300 Kontakte hatte ich auf ICQ, jetzt sind es knapp 100. Ein paar sind dabei, die ich persönlich nicht kenne. Sonst kenne ich alle persönlich."
Das Gute dabei ist, man könnte mit allen gleichzeitig reden. Das kann man normalerweise nicht, sonst müsste man alle seine hundert Leute draußen versammeln und dann mit ihnen reden. Das ist kompliziert. Da ist so ein Chat-Programm doch einfacher."
Prof. Jon Groebel, Medienwissenschaftler, Deutsches Digitales Institut:
"Der direkte Austausch von Informationen, von Emotionen, von sozialen Informationen, ist bei den Jugendlichen heute etwas, das synchron geschieht.Das aus der Situation kommende Agieren und Reagieren ist ihnen besonders wichtig. Die Emotion spielt eine zentrale Rolle. Jugendliche sind wahrscheinlich immer noch ein wenig emotionaler als ältere Leute, die schon ein bisschen abgebrühter, reifer sind. Sie wollen auch ihre Emotionen zeigen, wollen sie äußern. Die ganze Expressivität des Internets spielt eine große Rolle. Und vor allem findet Kommunikation und Austausch in der Gruppe statt. Die Community ist heute der zentrale Bezugspunkt für Jugendliche."
Sven Buley, 18 Jahre, Schüler:
"Das Schöne beim Chatten ist eigentlich, dass man Abkürzungen benutzen kann und dass man Wörter nicht lang ausschreiben muss, dass es so etwas wie Smilies gibt. Wenn man unter Freunden ist, die alle die Abkürzungen kennen, dann benutzt man die auch im richtigen Leben. Die bekannteste und häufigste Abkürzung bei uns ist ‘lol‘, laughing out loud, lauthals lachen."
Lilian Büchner, 16 Jahre, Schülerin:
"Telen, das sag ich öfters: ‘Ich tel grad mit dem und dem...‘. Aber sonst eigentlich nicht. Ich finde auch nicht, dass sich die Sprache von MSN auf die Sprache außerhalb von MSN überträgt."
Sven Buley, 18 Jahre, Schüler:
"Die Sprache verändert sich nur unter Freunden. Zu Lehrern oder anderen Erwachsenen muss man dann schon vernünftig reden, damit sie einen auch verstehen. Das kann man auch gut trennen."
Prof. Norbert Fries, Sprachwissenschaftler, Humbold Univesität Berlin:
"Sprachen verändern sich. Wenn man nun von Sprachverfall reden möchte in Bezug auf den Einfluss solcher neuen Medien, dann denke ich ist das nicht gerechtfertigt, insofern die Sprache im Chat dem Medium angemessen sein muss. Mann muss sogar sehr fit sein, um überhaupt in dieser Weise Texte verfassen zu können und reagieren zu können. Insofern kann man eigentlich nur froh sein, dass so ein Medium auch die Kommunikation zwischen Jugendlichen sehr stark unterstützt."
Sven Buley, 18 Jahre, Schüler:
"Ich schätze mal, dass sich mit dem Alter dann alles ändern wird. Dann werde ich sicher nicht mehr so viel am PC sitzen und chatten sondern arbeiten."
Lilian Büchner, 16 Jahre, Schülerin:
"Das chatten wird immer weniger, das merkt man auch so. Und ich glaube später, in ein paar Jahren, werde ich gar nicht mehr chatten. Dann habe ich andere Sachen zu tun."
05.12.2008/neues.online.mf
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